Durch alle Zeiten gleich

Daran bastelt der Autor gerade:

 

 

 

Durch alle Zeiten gleich

Sechzehn historische Miniaturen

Kurzbeschreibung

 

 

„Durch alle Zeiten gleich“ ist eine Sammlung sechzehn historischer Miniaturen die kleine Geschichten großer Leute und große Geschichten kleiner Leute von der Antike bis nahe an die Gegenwart umfasst. Auf jeweils ungefähr 40 Seiten werden wahre Schlüsselepisoden aus dem Leben großer Frauen und Männer und fiktive aus dem Leben unbekannter Protagonisten erzählt.

Jede Geschichte ist mit einer menschlichen Eigenschaft überschrieben, einer Eigenschaft, die „durch alle Zeiten gleich“ geblieben ist und sich wohl auch in Menschen der Zukunft immerfort wiederholen wird.

 

Im Detail werden folgende Geschichten erzählt:

 

Trauer: Alexander von Makedonien verliert, nachdem er die halbe Welt erobert und alles erreicht hat, 324 v.Chr. seinen Geliebten Hephaistion nach einem Trinkgelage. In rasender Trauer lässt er noch am selben Tag dessen Arzt kreuzigen und dessen Landsleute hinrichten. Alle Pferde und Maultiere lässt er scheren und deren Haare opfern, er fastet fast bis zum Hungertod. Oh ihr Götter, warum Hephaistion, es gibt doch so viel andere, die weniger wert, schlechter sind als er. Er lässt den Geliebten zu Gott erheben und ihn verehren. Doch all sein Bemühen der Trauer Herr zu werden scheitert. Wie von einem rasenden Feuer werden seine Kräfte verzehrt. Nach dem Verlust ist er ein gebrochener Mensch, von Trauer zerfressen. Nur noch ein halbes Jahr, dann folgt er seinem Geliebten nach.

 

Sehnsucht: Der Thraker Kotys ist bei einem Feldzug der Römer in die Sklaverei geraten und nach Italien verschleppt worden. Die Sehnsucht nach seiner Familie treibt ihn immer wieder dazu, zu fliehen. Doch vergeblich. Im Jahre 72 v.Chr. endlich ist der Moment gekommen, der ihm seine Sehnsucht stillen wird. Er schliesst sich dem mächtigen Aufstand seines Landmannes Spartakus an. So wird er in seine Heimat auf dem Balkan, zu seiner Familie, seiner Frau und seinen beiden Töchtern zurückkehren können. Unstillbar sehnt sich sein Herz nach denen, die er liebt, nach dem Duft des Waldes nahe seines heimatlichen Hofes. Doch nach der letzten, verlorenen, Schlacht am Silarius erfüllt sich sein Schicksal, wie das sechstausend anderer Gefangenen, am Kreuz. Das Kreuz an dem er hängt, ist nach Osten, seiner Heimat zugewandt, sein Herz bricht vor Sehnsucht und lässt ihn gnädig vergehen, lange bevor die durch das Kreuz gebrochenen Knochen ihn ersticken.

 

Ahnungen: Cäsars Frau Calpurnia sieht den Tod ihres Mannes im Traum voraus und versucht ihn vom Besuch des Senatsgebäudes an den Iden des März abzuhalten. Viele Worte findet sie, sie umgarnt ihn, sie schreit ihn an. Doch der Sture will nichts davon hören. Traumgesichte seien dies, nicht mehr. Als sie ihm den Weg hinaus versperrt schilt er sie einen Narren. Auch der Augur Spurinna sagt ihm das Ende an eben diesem Tag voraus, doch auch alle seine Träume, Ahnungen und Warnungen führen zu nichts.

Cäsar geht seinem ihm bestimmten Schicksal, die Ahnungen verlachend, entgegen.

 

Liebe: Jesus von Nazareth verbringt seine letzte Nacht mit Maria Magdalena bevor er nach Jerusalem und damit am Ende seinen Henkern entgegengeht.

Rund um das kleine irdene Haus ist es ganz still geworden, nicht einmal das Vieh erhebt seine sonst so vielfältigen Stimmen, kein Keuzchen ruft, kein Schlagen der ledernen Schwingen der Fledermäuse.

Jesus und Maria sitzen an einem kleinen knisternden Feuer und schauen versonnen in die Flammen. Maria hat sich an ihn gelehnt, geniesst die Wärme, den lieblichen Duft, der von ihm ausgeht, spielt mit seinem langem Haar, drückt ab und an die Hand, die sie ohnehin schon fest um klammert hält. Ihr Schweigen sagt mehr als viele Worte.

Als der Morgen seines letzten Tages in Freiheit graut, streicht ihr geliebter Mann ihr ein letztes Mal zärtlich und vertraut über ihren sich schon leicht wölbenden Leib. Da endlich ist der Zauber der Nacht vorbei, alle Dämme in ihr brechen. Unter Tränen sagt sie zu ihm das, was alle Frauen zu ihren Männern sagen, wenn sie sich in ungewisse Gefahr begeben: Pass auf dich auf, mein Herz. Komm zurück. Du weißt, ich liebe dich. Wie wenig dies doch klingt, wie viel dies doch ist.

 

Kunstsinn: Neros Herrschaft ist zu Ende. Vom Senat der Damnatio unterworfen findet er eine letzte Zuflucht auf dem Landgut seines Freigelassenen Phaon. Sein Sekretär Epaphroditus setzt ihm auf seinen Wunsch hin eilig den Dolch an die Kehle als Pferde herannahen. Doch der gute Phaon geht dazwischen, hat eine bessere Idee. Er lässt einen seiner Sklaven töten, der Neros Statur hat, lässt diesen des Kaisers Kleider anziehen und den so geschmückten Leichnam halb verbrennen. Als die Häscher des neuen Kaisers Galba kommen, finden sie den Leichnam und nehmen ihn für Nero mit sich nach Rom.

In Griechenland, auf dem Peleponnes, aber findet sich bald ein Sänger, der dem einstigen römischen Kaiser ähnlich sein soll, aber sich auf eine andere, bessere, befreitere Art seiner Kunst hingibt. Wenn er spielt, sagen sie bald, ist es, als ob die Götter selbst ihm die Hand führen.

 

Milde: Wiederholt haben christliche Ritter des skrupellosen Rainald de Chatillon Karawanen der muslimischen Kaufleute überfallen, geplündert und alle Mannschaft getötet. Saladin, der Sultan von Ägypten, kann dem vertragswidrigen Treiben nicht mehr länger zusehen, zieht ein Heer zusammen und erobert binnen kurzer Zeit weite Teile der Kreuzfahrerstaaten. Anfang 1187 belagert er die wichtige alte Römerstadt Tiberias am See Genezareth. Obwohl das Unterfangen jedem Verstand widerspricht, zieht der christliche König Guido von Jerusalem her durch staubtrockene Gebiete den Belagerern entgegen um die Belagerung aufzuheben. In der Schlacht von Hattin im Juli desselben Jahres geht das gesamte, nach dem endlosen Marsch durch die Wüste halbverdurstete christliche Heer unter. Saladin sagt Milde zu. Milde wie auch die Christen sie gewähren. Dem gefangenen König und dessen Kanzler gibt er Wasser und behandelt sie ihrem Rang gemäß. Alle anderen Ritter lässt er töten.

 

Glaube: Die reiche Handelsherrin Magda Vogel aus Mainz verliert im Jahre 1512 ihren Mann Bernhard durch eine Lungenentzündung. Ihr bleibt nurmehr ihr sechs Jahre altes Töchterlein Anna. Kaum das ihr Mann unter der Erde ist, stehen die Häscher der Inquisition vor der Tür und führen sie ab. Eine Magd hat sie der Hexerei bezichtigt. In der Freinacht sei sie davon geflogen, laut kreischend, auf einem Besen, ums Haus herum und dann davon. Der Bischof braucht MagdasVermögen, viel hat er in Ränken mit seinen adeligen Nachbarn und im dann auch noch im Spiel verloren. Und bald wird es einen neuen Papst zu wählen geben, doch gerade jetzt ist die Kasse leer, zu leer, um Einfluss zu nehmen. Er muss vorsichtig sein, die Vogel waren einst eine mächtige, nun nur noch reiche Familie. Er versucht es bei Magda im Guten, mit Milde, redet ihr zu, zu gestehen, einzusehen, wie aussichtslos ihre Lage ist, sie widersteht, immer wieder, ist stark. Er verliert die Geduld, hat keine Zeit. Niemanden interessiert ihr Schicksal geben ihm die Reichen der Stadt zu verstehen, solange nur für einen jeden etwas abfällt. Unter den Leiden endloser Folter gesteht Magda nach langem Widerstand am Ende all das, was ihr vorgelegt wird. Als sie am Ende des Jahres auf dem Scheiterhaufen endet, ist es ihr nicht einmal vergönnt, dass der Henker sie erdrosselt, bevor er Feuer anlegt.

Dem Bischof hat all dies zu lang gedauert.

 

Schicksal: Als im Jahre 1452 der junge Sultan Mehmed der Zweite den Thron der türkischen Völker besteigt, gibt er sich als Friedensfürst und Freund aller, auch der Byzantiner. Doch in ihm tobt das lodernde Feuer der Besessenheit. Konstantinopel, Byzanz. Die Stadt soll die seine werden, das Juwel seines Reiches. Kaum ein Jahr später, als seine Rüstungen abgeschlossen sind, stehen seine Truppen vor der Stadt. Sechs Wochen belagert sein Heer die Stadt vergeblich, Tausende und Abertausende seiner Truppen fallen. Er lässt seine Flotte über einen Berg hineinschaffen ins Goldene Horn und von dort aus die wenig befestigte Seeseite der Stadt angreifen. Mächtige Kanonen lässt er gießen, im Dutzend, und die Mauern der Landseite zertrümmern. Doch des Nächtens errichten die Verteidiger neue Mauern um die Breschen zu schliessen, stellen Ikonen an die frisch errichteten Werke. Sie scheinen Wunder zu wirken denn trotz allem gelingt es den einhundertfünfzigtausend Angreifern nicht die achttausend Verteidiger auch nur auf der äußersten Stadtmauer, einer von dreien, zu überwinden. Am 29.Mai 1453 lässt er alle seine ihm verbliebenen Truppen zum Generalangriff vorgehen. Er setzt alles auf eine Karte, jetzt gilt es zu siegen, oder sich unter Schmach zurückzuziehen.

Stunden schon tobt die Schlacht, alle leicht bewaffneten Truppen, die erste Welle um die Verteidiger zu ermüden, sind aufgerieben. Die zweite Welle, die Anatolen, desgleichen. Nun sollen es die Besten der Besten richten, die Janitscharen, seine Elite. Ein kleiner Trupp derer schweift unweit der Kämpfe vorsichtig an der mächtigen Mauer entlang als das Schicksal zuschlägt. Eine winzige Schlupfpforte, die Kerkeporta, ein Pforte für Fussgänger, die vor oder nach den Offenzeiten der großen Tore für den Einzelne zum Betreten der Stadt gedacht ist, steht einfach offen. Sie vermuten eine Falle, doch es ist keine, niemand ist da, die kleine Pforte zu bewachen. Sie rufen ihre Kameraden herbei, zu Hunderten, zu Tausenden strömen die Soldaten hinein. Der letzte oströmische Kaiser Konstantin wirft sich ihnen entgegen, erst zwei Tage später wird man seinen zerschundenen, blutenden Leib unter einem Haufen anderer hervorziehen. Das Schicksal, eine Unachtsamkeit, hat eine mehr als tausendjährige Geschichte mit Hilfe einer offen stehenden Pforte beendet.

 

Genie: Der junge Mönch Matteo hat es geschafft. Leonardo da Vinci, im Jahre 1500 Gast seines Servitenbrüderordens im Kloster Anunziata zu Florenz, hat sich bereit erklärt einen Teil seiner kostbaren Zeit darauf zu verwenden ihn und zweien seiner ebenfalls talentierten Mitbrüder in die Kunst der Malerei einzuführen. Es gilt ein Altarbild der Jungfrau Marie mit dem Jesuskind und der heiligen Anna zu malen. Die Zeit ist knapp, Leonardo ein unruhiger Geist, der sich nur selten Zeit nimmt sie zu unterweisen. Seine Gedanken sind bei seinen Forschungen, nicht beim Altarbild. Matteo bekommt die Aufgabe das Lamm auszuarbeiten, doch gleich was er versucht, es will ihm nicht gelingen. Mal ist der Kopf zu groß, die Bewegung schief, der Blick des Tieres blöde.

Seine Mitbrüder machen sich insgeheim über ihn lustig und als Leonardo einmal geistesabwesend hereinschaut löscht er Matteos wochenlange Arbeit mit wenigen Strichen aus und erschafft ein Lamm, so rein, so unschuldig, so liebevoll und so lebendig, als würde es aus dem Bild herauskommen um an den Zitzen der Mutter zu saugen.

Leonardo hat den traurigen Matteo nicht einmal bemerkt. Auch sein Fehlen wird erst bemerkt, als sein toter Leib am Morgen aus dem kalten Arno gezogen wird.

 

Gottesfurcht: Gustav Adolf von Schweden ist ein Mann der raschen Auffassung und der raschen Entscheidungen. Als sein Gegenspieler, der kaiserliche Feldherr Wallenstein, Ende 1632 seine Truppen in ihre Winterlager entlässt, ist seine Stunde gekommen für die Demütigung vor Nürnberg ein Vierteljahr zuvor Rache zu nehmen und Wallenstein und den katholischen Kaiser ein für allemal zu schlagen und somit die Vorherrschaft Schwedens und der Protestanten im deutschen Reich für alle Zeiten zu begründen. Es wird gelingen, Gott ist auf seiner Seite.

Bei Lützen treffen die Truppen aufeinander. Erbittert wird seit den frühen Morgenstunden gerungen, der Sieg scheint zum Greifen nahe. Doch Wallenstein hat seine verstreuten Truppen herbeigerufen. Kaiserliche Reiter drängen heran, angeführt vom berüchtigten Grafen Pappenheim. Das Blatt wendet sich. Doch als Pappenheim fällt fliehen dessen Truppen Hals über Kopf. Mit einem Male tut sich eine Bresche auf in den kaiserlichen Linien. Jetzt oder nie gilt es den Feind zu zersprengen.

Ungestüm prescht der schwedische König mit seinen Dragonern wieder und wieder vor, Gott wird ihn bewahren, so wie in allen Schlachten zuvor. Er ist Gottes Diener.

Doch vom Nebel, dem Pulverdampf, vor allem aber seiner Kurzsichtigkeit behindert, gerät er mit nur wenigen Mitstreitern mitten unter feindliche Reiter. Als ihn einer von denen im Getümmel anruft, wer er ist, antwortet er, wie es sich ziemt, der Wahrheit gemäß, er sei der König von Schweden, von Gottes Gnaden. Seine letzen Worte.

 

Treue: Heinrich war ein Soldat in der Garde Friedrichs des Großen. Er kennt den Alten gut, hat ihm in der bitteren, weil verlorenen Schlacht bei Kunersdorf im Jahre 1759 sogar vielleicht einmal das Leben gerettet, so ganz sicher ist er sich nicht, bei all dem Durcheinander damals. Der König jedenfalls hat es wohl geglaubt und dankt es ihm bis auf den jetzigen Tag, einem heißen Augusttag im Jahre 1786. Seit vielen Jahren ist Heinrich nahe bei seinem König im Schlosspark von Sanssouci. Er ist dort als Gärtner beschäftigt, auch wenn er dafür nicht viel taugt, mit seinem einen Arm, den ihm die Russen gelassen haben. Doch er weiß, dass seine Arbeit nicht wichtig ist für den König, sondern dass es dem alten Mann darum geht einen Kameraden um sich zu haben, der das gesehen hat, was er gesehen hat. Müde ist Heinrich, müde und alt, doch die Blöße will er sich nicht geben, den Dienst vor dem alten Herrn zu quittieren, das gehört sich nicht, für einen aus der Garde. Außerdem, hat nicht er, der einstmals arme, einfache Kartoffelbauer aus dem Oderbruch diesem Grauen alles zu verdanken?

Er erschrickt, als ihn die vertraute Stimme des Königs von hinten anspricht, salutiert, doch der müde Herrscher winkt ab. Schlimm sieht er aus, der Brandenburger, ganz klein und eingefallen hängt er zitternd an seinem Stock, er riecht nicht gut, schon seit langem nicht mehr.

Na, mein Heinrich, sagt er mehr zu sich selbst, gut, mein Herr, wie immer.

Gut, dann ist es gut, sagt der Alte und versucht ihn vertraut am Arm zu tätscheln, es gelingt nicht. Bis bald, Heinrich. Bis bald, Sire. Es klingt anders als sonst.

Später am Nachmittag ist das Schloss in Aufruhr, der großen Preussenkönig, der ganz Europa getrotzt hat, ist tot. Als ein Diener zum Gärtnerhaus hinabgeschickt wird, um es dem alten Heinrich schonend beizubringen, kann er sich die Mühe sparen. Heinrich sitzt auf seiner Bank vor dem Häuschen in der Sonne, scheinbar dösend, in Wahrheit aber treu bis in den Tod und tot wie sein Herr.

 

Größenwahn: Napoleon in Moskau, Oktober 1812. Er ist am Schreibtisch seines Feindes, des Zaren Alexanders, in einen unruhigen Schlaf gefallen. Er träumt von Prometheus, der die Menschen aus Erde geformt hat, so wie auch er Menschen zu Höhen gebracht und andere in den Staub gestoßen hat. Er träumt von Prometheus Betrug an Zeus als er diesem als Opfer nur Knochen und Haut eines Stieres überliess, seinen geliebten Menschen aber das Fleisch gab. Auch er hatte seinen geliebten Menschen alles, dem Gott, den Göttern aber nichts gegeben. Wie Prometheus sieht er sich am Ende an den Felsen geschmiedet, zur Strafe dafür, dass er seinen Menschen das Licht, das Feuer zurückgebracht hatte, daß Zeus ihnen ihres schlechten Opfers wegen genommen hatte.

Er wacht schweißgebadet auf, seine Leber schmerzt, wie die, die der Adler dem Prometheus Tag für Tag herausreißt. Wie Prometheus, an einen Felsen geschmiedet, so wird er also enden, sein Grab, kaum zu finden, auf einer Insel im Nirgendwo. Klar und deutlich sieht er seine Zukunft, es presst ihm die Kehle zu. Zerreißen werden sie ihn, die, all die gekrönten Häupter, die er gedemütigt hat, verbrennen und seine Asche in alle Winde zerstreuen. Er zittert, ihm ist kalt. Zu lange ist es her, dass er ein wenig Schlaf gefunden hat. Er wartet auf Nachricht. Der Zar muss ihn um Frieden bitten, er hat dessen Hauptstadt besetzt. So war es schon zu allen Zeiten, so wird es auch dieses Mal sein. Zu welchem Preis. Von seiner Grande Armee sind von beinahe Siebenhunderttausend kaum noch achtzigtausend geblieben, der Rest, gefallen, an Krankheiten zugrunde gegangen, davon gelaufen, von Partisanen hinterrücks getötet. Bald kommt der Winter, der Wind ist schon eisig, kein Nachschub kommt mehr durch. Der Hunger groß.

Noch immer kommt kein Bote. Er lässt mehr Holz ins Feuer legen. Wie kann Alexander nur in so einem Palast leben, alles ist kalt und klamm.

Endlich! Das harte Schlagen von derben Absätzen auf dem feinen hölzernen Parkett, schnittig, eilig. Das also war es. Das ist der Bote des Zaren der um Frieden ersucht.

An Weihnachten wird er wieder in Paris sein und seinen Sohn reich beschenken.

Es klopft an der Türe, der Diener öffnet auf sein Geheiß, er streicht eine Strähne aus seiner Stirne, nimmt Haltung an, er ist Napoleon, der General, bereit, den Degen des Unterlegenen entgegen zu nehmen, einmal mehr.

Sire, meldet der Bote, Sire, Moskau brennt an allen Enden. Es wird kaum ein Haus zu retten sein. Die Vorräte vernichtet. Alexander hat seine eigene Hauptstadt anzünden lassen. Prometheus hat den Menschen das Feuer zurückgebracht, an einen Felsen geschmiedet findet der den Menschen so zugeneigte Gott sein Ende.

Egal. Es ist egal. Er ist Napoleon, weit größer als ein lange vergessener griechischer Gott. Er wird sie alle zerschmettern, vernichten, sie zertreten, wenn nicht hier, dann in Preußen, am Rhein, in Frankreich selbst, wenn es sein muss. Er ist Napoleon!

 

Freundschaft: Es ist der Morgen des 24. Dezember 1914. Erstarrt liegen sich die Fronten der Engländer und Deutschen beim kleinen Dörfchen Fromelle, nur fünfzig Meter voneinander entfernt, gegenüber. Seit einigen Stunden ist es ruhig geworden, hat der Beschuss aufgehört. Nicht einmal Verluste durch Scharfschützen sind zu betrauern. Nur aus weiter Ferne hallt ab und an ein Schuss durch die kalte Winterluft.

Lothar Gimple ist damit zufrieden. Genüsslich zieht er an der kleinen Meerschaumpfeife, ein Geschenk des Kaiser aus dem Päckchen, das jeder Soldat heute bekommen hat. Hat es gut gemeint heute mit ihnen, seine Majestät. Dazu noch das Päckchen von seiner Frau Martha, die fette Wurst wird er sich schmecken lassen. Ein wenig traurig ist er schon, alle hatten ihnen gesagt, daß sie Weihnachten wieder daheim sein würden, der Franzmann würde es wie 70/71 nicht lange machen. Ganz in der Frühe hatte er schon ins Niemandsland ausrücken müssen, die Offiziere hatten es so ausgemacht. Da hatte er den Konrad unter den Gefallenen gefunden, der war noch ein ganz Junger gewesen, gerade achtzehn. Der war ein ganz Schlauer gewesen, einer mit Abitur. Um den war es ihn richtig leid gewesen, der wär sicher ein guter Arzt geworden. Na, jetzt hatte er wenigstens ein gutes Grab und mit all den Anderen darin würde es ihm auch nicht langweilig.

Viele Rufe gingen jetzt zwischen den Linien hin und her, Gelächter, Wünsche für ein schönes Weihnachtsfest. Es roch nach Schnee, hoffentlich würde es schneien. Daheim im Schwarzwald lag sicher schon seit Tagen Schnee. Gejohle kam von vorne und als Lothar den Kopf über den Grabenrand hebt, sieht er, wie die Engländer mit einem Ball aus ihren Graben kommen. Ein paar andere Männer haben drei Fässer mit gutem deutschen Bier herangeschafft, den Preis für das Spiel gegen die Schotten. Schnell ist das Spielfeld abgesteckt, das Match wogt lange hin und her. Am Ende geht es unentschieden aus und jeder denkt, dass es so in Ordnung ist. Über einen Dritten, der gut Englisch kann, wägen sie die Leistungen der Teams ab. Viel Gelächter und gegenseitiges Geklopfe. Lothar freundet sich mit einem Mann an, der Ian heißt und Bauer ist wie er. Er erzählt lange von den kargen Böden bei ihnen daheim, auf denen man bestens Steine züchten könne.

Als die Dunkelheit einbricht, entzünden die Deutschen die kleinen Christbäume, die der Kaiser geschickt hat. Zu Hunderten überdecken sie die zerstörte Landschaft mit ihrem warmen, goldenen Licht. Zwei Priester, ein Deutscher und ein Schotte lesen die Messe gemeinsam und als alle zusammen Stille Nacht, Heilige Nacht singen wenden sich viele ab, damit keiner ihre Tränen sieht.

Drei Tage später läuft die große neue Offensive an. Lothar fällt, durchsiebt von den Kugeln des Maschinengewehrs, dass Ian bedient.

 

Grausamkeit: Stalin hat an jenem Tag, dem 1. März 1953, mit einigen seiner engsten Vertrauten gut zu Abend gegessen. In der Nacht wird er wach, er fühlt sich nicht gut. Sein Arm schmerzt, er möchte rufen, doch es geht nicht. Er kann sich nicht bewegen, nur ein Röcheln kommt aus seinem Mund. Er weiß, was geschehen ist. Ein Schlaganfall hat ihn, den vierundsiebzigjährigen heimgesucht. So also wird es zu Ende gehen. Wenn er nur rufen könnte. Keiner würde kommen, niemand, alle hatten zu viel Angst seine geheiligte Nachtruhe zu stören. Bis morgen früh würde er vielleicht sogar tot sein. Vielleicht wussten sie aber auch schon, wie es ihm ging und liessen ihn hier einfach sterben. Nach seinem Tod würden sich manche Stimmen erheben, ihn anklagen, verdammen, wegen all der Millionen, die er in den Tod geschickt hatte. Alle hatten sie es verdient, die Offiziere, die Soldaten, seine Landsleute, die Georgier. Da würden die Juden also gerade noch einmal so davon kommen. Chruschtschow, der Weichling, würde es nicht zustande bringen seine Pläne umzusetzen und all diese liderlichen Elemente im Gulag zur Strecke zu bringen. Immer wenn er an die Juden dachte, fiel im Hitler ein und eine seltsame, nie enden wollende Wut machte sich in ihm breit. Zusammen hätten sie die Welt beherrschen können, niemand hätte ihrer gemeinsamen Macht widerstehen können. Zu gerne hätte er diesen Verräter in die Hand bekommen, eigenhändig hätte er ihm das Faschistenherz herausgerissen. Freunde hätten sie sein sollen, nicht Feinde.

Es ist Morgen, sein Diener kommt, sieht seinen Herrn verzerrten Gesichtes quer im Bett liegen, ein Arzt kommt, Stalin beobachtet die Beiden aus den starren Augen, sieht den Arzt den Kopf schütteln. Umbringen lassen würde er die beiden Versager, sie würden nur zwei von sechzig Millionen sein. Wenn er doch nur seine Stimme wieder hätte.

Es wird wieder Tag, wieder Nacht, wieder Tag, wieder Nacht. Es will nicht zu Ende gehen. Grausam ist das, denkt er, grausam, dass er so leiden muss. Hin und wieder kommt jemand, oft weiß er schon nicht mehr, wer das ist. Seine Hand zuckt nur noch hin und wieder, die Bewegung, die er machte, wenn er Befehle unterschrieb. Sinnlose Angriffsbefehle, Verbannungen, Todesurteile. Dann zuckt ein letzter Rest Lächeln um seine Mundwinkel. Böse sieht es aus, verschlagen, grausam

Nach vier Tagen ist er endlich tot.  

 

Liebe: Anna ist Architektin und gerade dreißig geworden. Ihre zwei liebsten Menschen haben sie verlassen. Paul, der eine andere kennengelernt hat und Ursula, ihre Mutter, die mit kaum vierundfünfzig Jahren ihren langen Kampf gegen den Krebs verloren hat.

Von ihrem Erbe kauft sie sich einen Bauernhof im Fränkischen, einen Hof, der sie schon immer magisch angezogen hat, einen Hof, den schon ihre Mutter ihr als Kind gezeigt hatte. Am Ortsrand eines kleinen Dorfes liegt er, kaum dreihundert Seelen zählt das Nest. Alle ihre Freunde halten sie für verrückt sich so eine Ruine anzutun, und dann noch mit dem Gedanken, vieles selbst zu restaurieren. Doch das Dach ist in Ordnung, die Grundmauern trocken, ein gutes Drittel des alten Bauernhauses das noch im dreißigjährigen Krieg errichtet wurde, bewohnbar. So schlimm wird es nicht werden. Mit ihrem Pferd Balou und ihrem Hund Jasper zieht sie dort ein. Ohne jeden weiteren Anhang hat sie Zeit, beginnt sofort mit der Renovierung. Die gute Stube soll der erste Raum sein. Als sie die maroden Holzverschalungen der dreißiger Jahr herunterreißt, fällt ihr ein schweres schwarzes Büchlein vor die Füße. Es ist ein Tagebuch, gut erhalten. Es reicht von 1934 bis 1938. Sie kann die Schrift nur ein wenig lesen, es ist Süderling. Als Kind hat sie versucht sich die schöne Schrift beizubringen, mit einem kleinen Algebrabuch in dem die Vektoren mit eben solchen Buchstaben bezeichnet wurden.

Langsam gewöhnt sie sich an die Handschrift. Es ist das Tagebuch einer Frau die ebenso hieß wie sie. Anna. Irgendetwas musste ihr widerfahren sein, warum sonst hätte sie das Buch hinter einer Holzverkleidung verstecken sollen? Wann immer ihre knappe Zeit es zulässt widmet sie sich dem Tagebuch. Bald weiß sie, dass Anna aus München hergekommen war. Ihr Mann schien wohl ein hohes Tier in der NSDAP gewesen zu sein und hatte seine Stellung genutzt um Frauen im Dutzend in sein Schlafzimmer zu ziehen. Es war ihm als wohl nur recht gewesen seine Frau aus dem Weg zu schaffen. Anna musste wohl aus der Gegend gewesen sein und hatte darum diesen Hof gekauft. Auch sie hatte hier allein gelebt, zwei Pferde hatte sie im Stall gehalten und eine Ziege namens Erich. Von Anfang an hatten die aus dem Dorf die „Münchnerin“ misstrauisch beäugt, so ganz und gar nicht passte so eine ins Dorf.

Ab 1936 schrieb Anna dann von der Liebe, die sie endlich gefunden habe. Paul hieß er, der ihr Herz gewonnen hatte. Anna hätte fast gelacht, schon wieder ein Paul. Die Geschichte schien sich manches Mal zu widerholen. Bald schon merkt die im Tagebuch lesende Anna, dass mit Paul etwas nicht stimmte. Es dauert bis sie liest, daß er verheiratet ist und drei Kinder hat. Das er den kleinen Kolonialwarenladen im Dorf betreibt und das das ganze Dorf über ihr Verhältnis Bescheid weiß. Pauls Frau setzt sich zur Wehr, sie will ihn nicht verlieren. Anzeige um Anzeige hagelt beim Dorfleiter. Die Frau in dem Hof hört Negermusik, tanzt des Nachts nackt vor dem Haus, verdirbt die Moral, hält zu den Feinden des Reiches, womöglich ist sie sogar eine Jüdin. Paul hält trotz aller Anfeindungen zu ihr, seine Kinder aber kann er nicht verlassen. Der Ortsleiter ist ein gütiger Mensch, er warnt sie wieder und wieder, Anna dankt ihm, was aber soll sie machen, sie liebt ihren Paul den sie wieder und wieder heimlich trifft.

Im Juni 1938 endet das Tagebuch abrupt. Anna kann sich damit nicht zufrieden geben, sie fragt im Dorf herum, doch erntet nur Misstrauen und Schweigen. Türen schliessen sich vor ihr. In Archiven schließlich findet sie das hohe Tier der NSDAP mit dem die Anna des Tagebuchs einst verheiratet war. Sie folgt Annas Spur bis ins KZ Dachau, findet die Akten, die alles belegen. Anna ist im Juni 1938 verhaftet worden, gestorben ist sie Anfang 1939 an einem Virus, nicht lange nach der Geburt eines Kindes.

Die junge Architektin findet endlich heraus, wer jener Paul von damals war. Der Kolonialladen ist schon lange geschlossen, doch Paul, inzwischen weit über achtzig Jahre alt, lebt noch immer in einem Altenheim bei Nürnberg.

Anna besucht ihn, kreidebleich läuft der alte Mann an. Anna versteht erst, als er ein altes, abgewetztes Foto aus der Brieftasche holt, dass augenscheinlich sie selbst zeigt, aber eines jener Anna ist, die in Dachau umgekommen war. Jene Anna war ihre Großmutter gewesen, daher auch das Interesse ihrer Mutter an dem Hof. Wie viel mochte sie darüber gewusst haben?

Anna nimmt den alten Mann mit zu sich, das Haus ist groß genug für sie und einen wieder gefundenen Großvater. Sie sitzen unter dem alten Hausbaum, einer mächtigen Kastanie und zitternd vor Glück erzählt der Greis von der Liebe seines Lebens-Anna.    

 

  

TR/ 28.06.09

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